Direkt zum Hauptbereich

Krummer Deal

Miese Einigung der Koalition im Diesel-Streit


schon Realität: Fahrverbot in Hamburg
Wer weiß, ob die Verkünder*innen der frommen Botschaft in zwei Jahren überhaupt noch mit ihren Limousinen in die Hauptstadt einfahren dürfen, oder ob es dann auch für Nahles, Scheuer und Co heißt, "mit euren Dreckschleudern müsst ihr leider draußen bleiben". Damit es soweit gar nicht erst kommt, haben sich die Spitzen der Großen Koalition vergangene Woche auf ein Maßnahmenpaket in der Diesel Causa verständigt, dass weiteren Fahrverboten zuvorkommen soll. Dem waren zähe Verhandlungen im Koalitionsausschuss zwischen CDU, CSU und SPD vorausgegangen.
Am Ende einigte man sich darauf, ein Umtauschprogramm für die schmutzigsten 14 deutschen Kommunen auf den Weg zu bringen, bei dem betroffenen Dieselhalter ihre alten Euro 4 oder 5 Fahrzeuge mit Wechselprämien von 2000 bis 10.000 Euro, gegen neue Euro 6 tauschen können. Neben diesen Städten und Regionen, wie etwa Limburg oder Kiel, in denen der durchschnittliche Stickoxid Wert bei 50, statt den erlaubten 40mg/km liegt, sollen auch noch 50 weitere Orte von der Maßnahme profitieren. Diese sind durch Gerichtsverfahren von Fahrverboten bedroht, darunter z.B. Frankfurt (Main). Alle anderen gucken wahrscheinlich zunächst in die Röhre, denn nur ein Zehntel aller elf Millionen Dieselbesitzer*innen lebt in den betroffenen Gebieten. Dazu kommt noch, dass diese Prämien mit ein bisschen Geschick bereits jetzt beim Kauf eines neuen oder gebrauchten Fahrzeuges heuausgehandelt werden können. der französische Hersteller Renault bietet beispielsweise in ganz Deutschland 10.000 Euro Rabatt beim Kauf spezieller Neuwagen an. Somit muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Ankündigung nur um weitere, hoffentlich in den nächsten Tagen publik werdende Vergünstigungen der Hersteller handelt. 
Grüßaugust der Automobilwirtschaft: Verkehrsminister Scheuer
Beim Thema Hardwareumrüstung sprach man sich im Beschlusspapier dafür aus, dass Hersteller Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 mit einem weiteren Katalysator ausstatten müssen, wenn dieser in der Lage ist, den Stickoxid-Ausstoß auf unter 270mg/km zu reduzieren. Woher man diese Zahl nimmt ist allerdings völlig unklar, sie steht bisher in keinem einzigen Gesetzestext. Allerdings soll sie zukünftig auch die Grenze markieren, die festlegt, ob ein KFZ von Fahrverboten betroffen ist oder nicht. 
Die Fahrzeugbauer sträuben sich allerdings gegen die Umrüstungspläne der Bundesregierung. Sie sehen einen erhöhten Kraftstoffverbrauch und Einschränkungen im Komfort auf die Halter*innen zukommen, ein Opel Sprecher fügte hinzu, dass auch technisch noch keine ausgereifte Hardwareoption vorliege. So sprach sich neben Opel auch schon BMW definitiv gegen den Vorschlag einer Hardware-Nachrüstung aus. Von Volkswagen hieß es, man sei lediglich bereit einen Teil der Kosten dafür zu übernehmen und auch nur, wenn alle anderen Hersteller mitzögen. Die Koalition kann die Autobauer nicht zu irgendwelchen Maßnahmen zwingen, da ihr juristisch die Hände gebunden sind. Deswegen muss sie auf Kooperation mit den betroffenen Unternehmen setzten, dies wird aber vor allem auch bei ausländischen Herstellern sehr unwahrscheinlich sein. Die neuen Katalysatoren stünden jedenfalls bereit, so laufen derzeit Genehmigungsverfahren für etwaige Systeme bei Kraftfahrtbundesamt. In der Zulieferbranche geht man davon aus, dass die Systeme ab nächstem Jahr einsatzfähig sind und mit sehr geringem Aufwand von jeder herkömmlichen Werkstatt eingebaut werden könnten.
weiterhin schmutziges Geschäft: der Diesel
Fraglich ist auch, ob der Wechsel auf Fahrzeuge mit Euro 6 überhaupt eine spürbare Verbesserung mit sich bringen wird, denn diese halten zwar formal auf dem Prüfstand den Grenzwert von 80mg/km ein, auf der Straße jedoch blasen sie bis zu fünfmal mehr NOX in die Luft, womit sie sogar teilweise schmutziger sind, als ihre Vorgängermodelle älterer Abgasklassen. 
Letztendlich gibt es immerhin einen Punkt, bei dem der Bund selbst tätig werden kann und wird. So soll in Städten, wie Halle (Saale) und Berlin, in denen der Durchschnittswert für Stickoxide zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro Kilometer oszilliert, ein Förderprogramm für schwere Kommunalfahrzeuge, Handwerksautos, Lieferwagen und Taxis aufgelegt werden, bei welchem eine handfeste technische Nachrüstung mit 80 Prozent gefördert werden soll. Diese Maßnahme soll dort schon ausreichen, um sich Fahrverboten zu entziehen. 
Insgesamt sind die Ergebnisse aus dem politischen Berlin ein desaströses Zeichen an alle geprellten Kund*innen, die Kommunen und die Umwelt. Man hat es mit dem Positionspapier nicht geschafft, sich auf eine klare und konsequente Linie zu einigen. Anstatt dessen geht es weiter wie bisher, man behält sich alle möglichen Optionen offen und die Automobilbranche inszeniert sich selbst als Opfer der bösen Politik. Es braucht aber endlich eine klare Kante genau dieser gegenüber der Wirtschaft, denn die allein ist für die Dieselmisere verantwortlich. Wenn es schon nicht möglich ist, sie für alte Missetaten zu bestrafen, so kann man mit einer neuen Gesetzgebung künftigen Missständen und Skandalen, Betrügereien und Fälschungen vorbeugen. Dies hat die Bundesregierung weder in der vergangenen, noch in der aktuellen Legislatur getan, stattdessen steuert man von einem Dieselgipfel zum nächsten, ohne klares Ziel vor Augen. Zeit dass sich daran etwas ändert. 


Quelle: F.-T. Wenzel "Ein sauberer Deal?", LVZ, 4.10.18; Fotos: Von C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=69607249; Von Kickaffe (Mario von Berg) - Eigenes Werk, autoaid.de, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37734505

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wahlverwandschaften

Wie die Bundesregierung sich von der Autolobby lossagte - eine Trennungsgeschichte Türe zu: Bundeskanzlerinnenamt in Berlin Wenn die Autolobby aus Frankfurt am Main gen Berlin gepilgert ist, wurde ihr meist sogleich eine Privataudienz bei der Kanzlerin und ihren Minister*innen gewährt. Gerne unterhielten sie sich in vertrauter, gar ganz privater Runde, ohne den üblichen formellen Schnickschnack drumrum. Was wurde nicht pleniert in den letzten Monaten und Jahren, um der angeblich letzten verbliebenen deutschen Schlüsselindustrie ein möglichst weiches Bett zu bereiten. Seit einem Jahr gibt es die "Konzentrierte Aktion Mobilität" bei der sich die Autofunktionär*innen regelmäßig mit der bundesdeutschen Politelite zusammensetzen. Dort solle es zwar um Innovationen gehen, doch Klimawandel und Mobilitätswende sind kein Thema. Über die Inhalte der Verhandlungen herrscht eh seit jeher Schweigen. Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen

Wie sauber darf es sein?

Während die Erderwärmung voranschreitet, streiten Expert*innen noch immer über die richtige Antriebsart als Antwort darauf Hätte Rudolf Diesel seinerzeit gewusst, welches Explosionspotenzial in seinem Selbstzünder steckt, er hätte sich dessen Entwicklung wohl zweimal überlegt. Dass die Tage des Dieselmotoren über kurz oder lang gezählt sind, dürfte mittlerweile jeder*m klar geworden sein. Natürlich, seine Energiedichte ist hervorragend und so schlägt er den Benziner bei Abgaswerten um Längen. Wären da nicht die Stickoxide, denen zwar mit chemischen Katalysatoren ein bisschen Volumen genommen werden kann, deren Bändigung aber auch entsprechend teuer ist. Die Grenzwerte geben eine Weiterentwicklung der Technologie langsam nicht mehr her und so bleibt nur, sich um eine Alternative zu bemühen. Einer der ersten Hybridwagen von Porsche  Ganz vorne im Rennen um die Technologie der Zukunft, bewegen sich die klassischen Elektroautos. Sie gibt es heute schon Serie und dank des ID.3 vo

Kein Licht am Ende des Tunnels

Nur wenig Besserung in Sicht: der Kobaltabbau bringt weiter Probleme mit sich, die auch ein deutscher Aktionsplan nicht lösen kann. weckt Begehrlichkeiten: Cobalt  "So eine Masse kann Chaos anrichten", sagte ein kongolesischer Minenmanager jüngst einem deutschen Journalisten bei dessen Recherche zu den Bedingungen des Kobaltblaus in der Demokratischen Republik Kongo. Auch wir berichteten an dieser Stelle schon häufiger über die Verhältnisse vor Ort, das Verhalten der Abnehmerunternehmen und der deutschen und europäischen Politik. Mit der Masse meinte er die zig tausenden Bergarbeiter*innen, welche sich Tag für Tag unter schäbigsten Bedingungen und der ständigen Lebensgefahr im Nacken für ein paar Euro in den Minen und an den Schürfstationen ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch sie lassen sich nicht mehr wie früher als bloße Ausbeutungsobjekte materialisieren. Mittlerweile haben sich zahlreiche kleine Kooperativen gebildet, in denen sich die zuvor unorganisierten Men