Vor dem Bundesgerichtshof bekommt VW ein gerechtes Urteil im Dieselskandal - die letzte Instanz einer Odyssee
Ort der Entscheidung: Gerichtssaal in Karlsruhe |
Er wollte mit seinem 2014 gekauften VW Sharon eigentlich seine Rente genießen, stattdessen klagt Herbert Gilbert seit Jahren gegen den größten Autobauer der Welt und ist nun in letzter Instanz vor den Bundesgerichtshof gezogen. Anfang Mai begann der Prozess, von dem sich alle Expert*innen einig waren, dass er Signalwirkung für die 60.000 noch offenen Verfahren gegen VW in der Causa Dieselgate haben wird.
Nur vier Wochen später verkündeten die Richter*innen des 6. Senats ihr Urteil. VW habe sittenwidrig gehandelt und das Kraftfahrtbundesamt beim Stellen des Zulassungsantrags arglistig getäuscht. Dem Kläger stehe der volle Kaufpreis von 31.000 Euro abzüglich eines Nutzungsersatzes zu. So könnte sich der Rentner über mehr als 25.000 Euro freuen, müsste dafür allerdings seinen Wagen zurückgeben. Die Wolfsburger wollen das gerne verhindern und ihm ein geringeres Geld anbieten, dafür könne er dann seinen Sharon weiter nutzen. Was will der Autobauer auch mit tausenden Gebrauchtwagen aus eigener Produktion?
Die Urteilsbegründung liest sich als eine Abrechnung mit den Machenschaften des Konzerns, der Millionen Kund*innen das Vertrauen in die heimische Autoindustrie entzogen hat. Das Auto sei für die vorgesehenen Zwecke unbrauchbar, zudem sei schon mit der Manipulation selber, eine Täuschung erfolgt, da der Wagen in Unwissen über diese geschah. Volkswagen sah den Fall naturgemäß anders gelagert. Dabei hatte schon die Vorinstanz am OLG Koblenz für den Kläger geurteilt und ein sittenwidriges Vergehen festgestellt.
Dennoch bleiben viele Fragen offen. Wie haftbar sind die unabhängigen Zwischenhändler, die die Autos verkaufen? Was ist mit Kläger*innen, die ihren Wagen erst nach Bekanntwerden der Manipulationen 2015 erworben haben?
Ort der Manipulation: VW-Zentrale Wolfsburg |
Erst kürzlich hatte sich der Autokonzern mit 235.000 Kund*innen auf einen Vergleich geeinigt, der vor dem OLG Braunschweig ausgehandelt wurde und Ausgleichszahlungen von bis zu 6000 Euro vorsieht. Eine Reihe von bei der ersten Musterfeststellungsklage Deutschlands registrierten Verbraucher*innen lehnte das Angebot jedoch ab und kann nun bis Herbst noch auf herkömmlichen Wege Klage einreichen.
Der stellvertretend für die Kund*innen vor Gericht auftretende Bundesverband der Verbraucherzentralen zeigte sich einstweilen zufrieden mit dem Ergebnis, da so ein langwieriger Prozess vermieden werden konnte. Allerdings meinen einige Expert*innen es brauche noch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, womit auch die Verjährungsfrist neu beginnen würde und weitere, vielleicht vorher noch zögerliche Geschädigte den juridischen Weg einschlagen könnten. Für VW ist der Dieselskandal ein Albtraum, aus dem der Konzern - auch selbstverschuldet - einfach nicht aufwachen will.
Quellen: Winter, Stefan: "Skandal in letzter Instanz", LVZ 5.5.20; Winter, Stefan und Rath, Christian: "VW täuschte arglistig", LVZ 26.5.20; Fotos: Von Vanellus Foto - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33211914; Von ACBahn - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27087125
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