Mit neuen Konzepten, verändertem Auftreten und frischem Image versuchen die europäischen Autobauer an alte Erfolge anzuknüpfen
In diesem Jahr ist alles anders als sonst. Kennt man normalerweise vom Genfer Autosalon große Shows mit viel Gebaren und allerlei Schnickschnack, rund um die Präsentation der neusten Innovation im Bereich fahrbarer Untersatz, so sucht man in diesem Jahr vergebens danach. Im Vordergrund steht Bescheidenheit und die Geschichte der kleinen Start-ups, mit neuen Ideen, die Dank der Unterstützung der Großen, auch zur Realisierung gebracht werden sollen.
Der "Piech Mark Zero" scheint bei all den neuen Modellen, die auf der Genfer Messe ihr Debüt feiern, am meisten hervorzustechen und das nicht nur, weil sich der Sohn des Automäzens Ferdinand Piech von diesem mit seiner Firma emanzipieren will, sondern auch, weil das Fahrzeug eine echte Revolution in puncto E-Mobilität darzustellen scheint. Bereits 2015 begann die Entwicklung des E-Flitzers - den es in drei Jahren für ca. 150.000 Euro zu kaufen geben soll - mit der Gründung des Unternehmens "Piech Automotive" im nahen Zürich. Zusammen mit seinem Firmenpartner Rea Stark Rajcic und zahlungskräftigen chinesischen Investoren, bzw. Produzenten - die Anton, genannt Toni Piech, vermutlich während seiner elfjährigen Zeit in Peking an sich band - entwickelte er einen Sportwagen, der zwar klassisch im Design und damit interessant für alle Sportwagenfreund*innen mit finanziellem Polster, aber umso progressiver in der Ausstattung daherkommt. Mit seinen 500km Reichweite, bei einer Ladezeit von fünf Minuten, nach denen der Akku bei 80% stehen soll und einem noch nie da gewesenen Batteriezelltyp, kommt derzeit kein vergleichbares Modell an ihn heran. Durch die geringe Erhitzung der Batteriezellen, fällt das komplette Kühlsystem und damit 200kg Gewicht weg, darüberhinaus lassen sich durch die Modulbauweise beliebig Teile tauschen und von Wasserstoff bis Hybrid sogar unterschiedliche Antriebsarten einbauen. Ob sein Verhältnis zur Familie dadurch besser wird, können die Porsche und Piechs wohl nur unter sich klären.
VW und Daimler präsentieren sich ebenso bescheiden, wie es ihre aktuelle Situation zu gebieten scheint. Das Dilemma der Dieselkrise und ihr Hinterherhinken in der E-Offensive, kleben den deutschen Autoriesen am Schuh wie zäher Kaugummi. Dieter Zetsche, sonst die Nr. 1, wenn es um spektakuläre Autoshows ging, zeigt sich dieses Mal gar nicht auf der Bühne, sondern lässt seinen designierten Nachfolger, Technikchef Ola Källenius ans Mikro. Dessen Devise lautet, Elektro wo nur geht, ob in gänzlich auf Verbrennungsantrieb verzichtenden neuen Modellen, oder als Teilantrieb in Fahrzeugen der bestehenden Produktpalette. Mit der BMW-Kooperation im Bereich autonomes Fahren, scheint auch dort eine Trendwende eingeleitet.
schon 1926 der Renner: Genfer Autosalon |
Die Wolfsburger hingegen setzten auf eine erstaunliche Kooperation mit einem der stärksten Kritiker der deutschen Autoindustrie, dem Aachener Professor Günter Schuh und seiner Firma E-Go Mobile - über die und deren Fahrzeuge an dieser Stelle auch schon ausführlich berichtet wurde - welche u.a. das E-Paketfahrzeug für die Deutsche Post entwickelte. Der Sprecher der beiden VW-Eignerfamilien, Wolfgang Porsche, der sich eher als Anhänger alter Traditionen und Verfahrensweisen im Unternehmen gibt, bremst denn jedoch ein wenig die Euphorie mit dem Ziel des Aufbruchs zu neuen Gewässern. So mahnt der Patriarch an, sich vor allem auf die Wünsche der Kund*innen zu konzentrieren und in Elektro nicht das Allheilmittel zu sehen, auch den Betriebsräten gibt er eine Ohrfeige mit, denn diese besäßen nach seiner Auffassung zu viel Macht. Die Arbeitsplatzgarantien bis Mitte der 2020er Jahre führten dazu, dass VW sich als Sozialagentur verkaufe.
riesiger Parkplatz: Genf, 2018 |
Deutlich fortschrittlicher zeigen sich mal wieder die Schweden. Volvo-Chef Samuelsson verkündete, dass die Fahrzeuge seines Unternehmens ab 2020 nur noch 180km/h in der Spitze fahren werden. Dies sei vor allen Dingen ein Beitrag zur Reduzierung von Unfällen und Verkehrstoten, aber auch für Lärmminderung und Umweltschutz. Ein weiteres Motiv könnte die Hinwendung des Unternehmens zu einer rein auf E-Mobilität setzenden Firma sein. Die E-Flitzer benötigen nämlich bei steigendem Tempo auch exponentiell mehr Energie, so dass sich die Reichweite der Akkus schnell reduzieren. Mit einer Tempodrosselung, wie sie im Übrigen auch Mercedes für seine EQC-Modelle (ebenfalls 180km/h) umgesetzt hat, könnte der Energieverbrauch begrenzt und damit die Angst vor Stehenbleiben auf der Autobahn, wegen mangelnder Akkuleistung, reduziert werden.
Die diesjährige Ausgabe des Genfer Autosalons zeigt noch deutlicher als die letzte, dass in den Köpfen der Vorstände ein Umdenken eingesetzt hat. Große Wagen mit viel PS und althergebrachten Technologien spielen kaum noch eine Rolle an den Ständen der großen Autobauer. Diese Entwicklung begrüßt auch DIE LINKE, so muss anerkannt werden, dass sich die Hersteller, wenn auch mit einiger Verspätung endlich auf den technologischen Wandel besinnen und ihn mit frischer Energie, neuen Kooperationsformen und einer Portion Selbstkritik angehen. Wie konsequent und vor allem mit welcher Langfristigkeit sie an den Ideen und Projekten dranbleiben, kann nur die Zeit klären.
Quellen: "Ganz leise, ganz grün", M. Hägler und C. Müller; "Ein echter Piech", C. Müller; "Bei 180 ist Schluss", J. Becker und M. Hägler, alles SZ 6.3.2019; Fotos: Von Alexander Migl - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67214687; Von Jules Courvoisier (1884-1936) - http://www.artifiche.com/cms/front_content.php?idcat=6&article=1158&lang=1, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11923983
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