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Wachstum um jeden Preis

Die Wirtschaft mag einen kleinen Hänger haben, am Boden ist sie deshalb noch lange nicht.




Noch geht es an der Frankfurter Börse wenig turbulent zu
Deutschland wird zu Babylon, so zeitigt sich das Gefühl für all jene, die in den letzten Wochen aufmerksam den Wirtschaftsteil ihrer Zeitung verfolgt haben. Die Wirtschaft wächst nicht mehr so stark wie prognostiziert und erst recht nicht mehr so, wie in den vergangenen Jahren. Das trifft auch die hiesige Autoindustrie, welche sich gleich zum Wunden lecken bereit macht und nach staatlicher Unterstützung ruft. Dabei ist die Lage absolut nicht so dramatisch, wie es suggeriert wird. Das sich die "Expert*innen" einstweilen mit ihren Prognosen verschätzen kommt eher häufiger denn seltener vor. Dabei werden Trends manchmal nach oben und manchmal, so wie aktuell, nach unten korrigiert. Dennoch steckt die Bundesrepublik keineswegs in einer Rezession, sondern lediglich in einer Phase gedämpften Wachstums. Im folgenden Jahr soll dies aber auch schon wieder größer ausfallen. Die bloße Rate der BIP-Veränderung sagt sowieso nichts darüber aus, ob der Anstieg auch nachhaltig ist und ob davon die Menschen und nicht bloß die Konzernspitzen und ihre Eigentümer*innen profitieren. Zumal die Gewinne der Unternehmen, allen voran der großen Fahrzeug-Konzerne, nach wie vor sprudeln. In den aktuellen Quartalsberichten von VW, Daimler und BMW ist zwar etwas weniger Dividende für die Aktionär*innen enthalten, allerdings liegt das vornehmlich an den Rückstellungen für die angekündigten und dringend nötigen Investitionen im Bereich der erneuerbaren Antriebstechnologien und der Automobildigitalisierung. Zudem haben sich die börsennotierten Autoriesen ihre für Strafzahlungen in der Hinterhand gehaltenen Gelder, die nun an anderer Stelle nicht ausgegeben werden können, selbst zuzuschreiben. Hätten sie von Anfang an fair gespielt, stünde das Geld jetzt für weitere Forschung zur Verfügung und auch dort wurde gepennt. Hätten sie, wie von DIE LINKE. seit langem gefordert, rechtzeitig angefangen neue Wege zu gehen (respektive zu fahren), müssten die Autobauer nicht in letzter Sekunde alles auf den Kopf hauen, sondern hätten in der vergangene Dekade sukzessive Mittel für F&E bereitstellen können.
Zu Recht sind die 95.000 alleine in Sachsen im Automobilbereich beschäftigten Menschen nervös. Fängt das Sparen doch meist bei ihnen an. Erst gehen die sowieso schon gebeutelten Leiharbeiter*innen, dann folgt Kurzarbeit und irgendwann müssen auch Teile der Stammbelegschaft gehen. Soweit ist es im Moment zum Glück noch nicht gediehen. Die Industrie muss dennoch ernst nehmen, dass ihre Fehler nicht länger durch unendliches Wirtschaftswachstum ausgeglichen wird. Konjunktur hat auch etwas mit ihrer eigenen Leistung zu tun und bei dieser haben die allesamt im Westen der BRD beheimateten Autobauer noch allerhand Potenzial. Auch der Chef des konservativen Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung Clemens Fuest sieht keinen Grund zur Sorgen, allerdings nur, wenn Brexit und Handelsstreitigkeiten milder Verlaufen als es bisher auszusehen scheint. Schon jetzt sind BMW und Co von amerikanischen Zöllen auf ihrer Autos betroffen und der Brexit könnte die gesamte Lieferkette einzelner Modelle ins Wanken bringen. Dennoch sind die Unternehmen stark genug, um auf solche Unwägbarkeiten zu reagieren. Sollten sie aber weiterhin ihren egomanen Trip fahren und einzig auf die Weiterentwicklung des Verbrenners setzen, könnte dies bald anders aussehen. Deshalb setzt sich DIE LINKE. nach wie vor entschieden für stärkere Anreize in der Politik ein, damit die großen KFZ-Hersteller endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und den Turbo zünden, bevor es zu spät ist. Der Kuschelkurs des Verkehrsministers muss ein Ende haben, jetzt ist eine klare Kante gefragt!
Nicht nur Volkswagen muss sich in Acht nehmen
Unterdessen gibt es Hoffnung, dass bald in Sachsen der für die Batterieproduktion so wichtige Rohstoff Lithium aus der Erde gefördert wird. Die Rechte dazu wurden bereits vor geraumer Zeit an eine tschechische Firma, die sich zu 70 Prozent in Staatsbesitz befindet, übertragen. Sollten die laufenden Untersuchungen zeigen, dass ein Abbau technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist, könnte dies für den Freistaat ein neues Standbein in der zukunftsgerichteten Wirtschaft sein. Am Ende könnte sogar eine lange von DIE LINKE. gewünschte Batteriezellproduktion hier heimisch werden und den Beschäftigten in der Automobilbranche neue Perspektiven auch in strukturschwächeren Regionen, wie dem Erzgebirge, eröffnen. Für Mensch und Umwelt sollten jedoch verträgliche Lösungen gefunden werden, doch bis dahin ist es noch ein bisschen.




Quelle: "Der Verbrenner wird für eine sehr lange Zeit weiter die Kernrolle spielen" U. Milde, "Tschechen an Erzgebirge-Lithium interessiert", LVZ 17.7.19; Fotos: Von Mylius - Eigenes Werk, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18466257; Von Vanellus Foto - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33211914

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