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Hinsetzen und Anschnallen.


Lange war sie verschütt gegangen, doch nun entdeckt man* sie wieder: 

Die Liebe zum Auto.



Invasive Art: VW Käfer
Humanum und Auto - das war schon immer eine ganz besondere Beziehung. Vom Kaiser noch vernachlässigt (Treppenwitz für jeden Stehempfang der Fahrzeugindustrie: "Das Auto wird sich nie durchsetzen, es wird von vielleicht 1000 Stück geben"), wurde es dank der Massenproduktion vom VW Käfer und den extravaganten Luxuslimousinen, über die das Gros der Bevölkerung bestenfalls nur staunen konnte, neben Hund und/oder Katze zum liebsten Begleiter des hiesigen Homo Sapiens. Doch seit ein paar Jahren musste der Blechkasten unter zunehmender Vernachlässigung leiden. Anstatt, dass sich wie sonst üblich nach bestandener Matura erstmal jede*r ein Vehikel zur Belohnung kauft oder wahlweise von Vati und Mutti samt einer Flach Sekt überreicht bekommt, sind die jungen Leute von Heute anders gepolt. Gerade in der Großstadt fahren sie unerhörter Weise wie eine wildgewordene Bande mit dem Velo durch die engen, doch einstmals für die KFZ so schön ausgebauten Straßen und versperren noch einem*r jeden gepflegten Fahrzeugführer*in das burschikose Einschwenken in eines der Lieblingsprodukte der deutschen Raumplanung: die Parkbucht. 
Sieht anstrengend aus: Tandem
Lange schien sich die Vernarrtheit in des deutschen liebstes Kind nur noch in pfälzischen Dörfern oder Berliner Shishabars widerzuspiegeln, doch jetzt kommen immer mehr Leute auf den süßlich-beißenden Geschmack von Benzin und Diesel. In Corona-Zeiten mit der Vierrad statt Bahn zu fahren scheint für viele das geringere Übel im Vergleich zum drohenden Klimakollaps anno dezimal. Im Gegenteil, brutzelt die Sonne im Sommer so warm, dass sich der*die geneigte Fahrzeugführer*in sogar ein Grillerzeugnis auf dem Dach zubereiten kann, so sind gleich zwei Fliegen (ich entschuldige mit bei allen Tierschützer*innen und Entomologen für die Ausdrucksweise) mit einer Klappe geschlagen. Außerdem gibt es gleich wieder einen Anlass den Wagen zu putzen oder in die Reinigung zu fahren, da wo es so schön schäumt. 
Doch die Automobilindustrie sieht ob der aktuellen Situation trotzdem ihre Pfründe schwinden und hofft auf Steuergelder für Kaufanreize. Damit sich die geneigten Vorstadtyuppies noch einen dritten SUV kaufen können, den sie in ihrer Garage parken, weil da ja schon noch genug Platz für ein drittes Kind, verzeihen Sie, Auto wäre. Das könnte dann vornehmlich dazu verwendet werden, an heißen Tagen die Klimaanlage voll aufzudrehen und sich mal so richtig abzukühlen vom überhitzen Gemüt. Doch all die Yuppies werden nicht ausreichen um die zig tausend PKW zu kaufen, die im Moment bei den Herstellern stehen. Wer mit dem Zug an Eisenach vorbei fährt, könnte meinen die Stadt sei ein einziger Parkplatz (gut, da ist wirklich was dran) oder alle Einwohner*innen wären durch drei fabrikneue Opel ausgetauscht worden (futurespace). 
Ach Corona, was hast du nur aus dieser Welt gemacht?



Quellen:https://www.sueddeutsche.de/kultur/auto-coronavirus-comeback-1.4906319; Bilder: Von Ramon Casas i Carbó, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44709359; Von Daniels, Gene, photographer, Photographer (NARA record: 8463941) - U.S. National Archives and Records Administration, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16896323

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