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Zwei gegen Vier

Wem gehört die Straße? Fahrrad und Auto in Zeiten von Corona und neuer StVo


Im Moment verändert sich der Verkehrsmix auf Deutschlands Straßen nachhaltig. Die Menschen auf dem Land sind sowieso schon immer mit dem Auto gefahren, aber in der Stadt, wo sich die Mobilität nachhaltig zu verändern schien, steigen nun auch wieder mehr Leute in den eigenen PKW. Das hat vor allem mit dem Wunsch zu tun, sich in Sicherheit wiegen zu können. Wer kann es auch vergrämen, dass die Bevölkerung sich ziert in ein Clevershuttle zu steigen oder ein TeilAuto zu nutzen, in dem eben noch ein*e Infizierte*r hätte Platz nehmen können. 
Mehr davon!
Doch nun ist es an der Politik aufzupassen, dass sich dieser Trend nicht auch nach der Corona-Krise manifestiert. Insbesondere Bus und Bahn leiden gerade sehr unter der Situation und verlieren massiv Fahrgäste. Sie zurückzugewinnen, wenn einmal der Komfort von Individualverkehrsmitteln entdeckt wurde, wird schwer. Doch selbst wenn diese Personen aufs Fahrrad umsteigen und damit wenigstens keine zusätzlichen Abgase produzieren, nehmen sie doch mehr Raum auf den Straßen ein. Die Radwege wurden aber über Jahre entweder gänzlich vernachlässigt oder so angelegt, dass sie die Bezeichnung nicht verdient haben. Es droht ein neuerliches Chaos, weil kein Platz zum überholen ist, Fahrradbügel fehlen und die gegenseitige Rücksichtnahme nur von einem geringen Teil wirklich gelebt wird. 
Dazu kommt, dass in absehbarer Zeit und schon jetzt deutlich spürbar, wieder mehr Autos unterwegs sein werden, da Betriebe ihre Mitarbeiter*innen zurückholen, Geschäfte öffnen und gegenseitige Besuche wieder möglich sind. Erst dann kann tatsächlich abgesehen werden, wie dramatisch sich die Lage bezüglich der individuellen Mobilität verändert hat. 
Der Eindruck täuscht.
Im Augenblick tut sich einiges Positives, zu mindest im Hinblick auf den Radverkehr. In Berlin etwa haben die Bezirksverwaltungen schon mehr als ein Dutzend neue Fahrradwege angelegt. Das ginge einfach, so ein Vertreter der Verwaltung in Friedrichshain-Kreuzberg. Es brauche dazu nur den Willen von Legislative (R2G im Senat) und Exekutive und keine großartigen Beschlüsse. Innerhalb einer Woche sei das zu realisieren, wenn auch vorerst nur temporär und gegen den heftigen Widerstand von Wirtschaft und Autolobby, namentlich dem ADAC Berlin-Brandenburg. 
In anderen Ländern sind die Maßnahmen noch eine Spur drastischer. In der europäischen Hauptstadt Brüssel etwa wurde die gesamte innerstädtische Zone verkehrsberuhigt. Hier gilt jetzt Tempo 20 und Fußgänger*innen dürfen auf der Straße laufen, damit die 1,5m Abstand eingehalten werden können. 
Jedoch zeigt sich, dass vor allem in Regionen, wo sowieso eine Verkehrswende avisiert wurde, die Projekte vorangetrieben werden. Andere Städte und Gemeinden sind da noch zurückhaltender. Der ÖPNV allerdings wird eine Weile brauchen sich zu erholen. Wer aber Schmutz, Lärm und verstopfte Straßen verhindern will, muss jetzt anfangen dem Umweltverbund (Fußgänger*innen; Radfahrer*innen und Nahverkehr) endlich einen richtigen Vorteil zu verschaffen. 




Quellen: Kunkel, C.: 9.5.20. "Es droht ein neuer Verteilungskampf auf der Straße" https://www.sueddeutsche.de/auto/mobilitaet-auto-fahrrad-verteilungskampf-1.4901415; Hummel, T. 2.5.20 "Wenn Corona das Auto wegdrängt" https://www.sueddeutsche.de/panorama/coronavirus-verkehrswende-radweg-berlin-1.4893717; Bilder: Von MMich - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6899016; Von Hans-Joachim Fröde (User:Acf) - DC F 14, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1056378

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