Direkt zum Hauptbereich

Das Tor zur Hölle

Der schmutzigste Ort Deutschlands: das Stuttgarter Neckartor.


Steht man sich am Stuttgarter Neckartor, so scheint es, befinde man sich in einem Raum totaler Urbanisierung: sechsspurige Stadtautobahn eingesäumt von Häusern. Inmitten der Szenerie befindet sich eine Messstation für Fahrzeugabgase, an der sich die Gemüter erhitzen. Seit der Messpunkt vor 14 Jahren seinen Betrieb aufnahm, gab es nicht einen Tag an dem hier die Europäischen Grenzwerte eingehalten wurden. An dem grauen Kasten winden sich täglich 70.000 Fahrzeuge vorbei und sorgen mit ihren Feinstaub und Stickoxid-Ausdünstungen dafür, dass das Stuttgarter Neckartor auf Platz eins im Ranking der schmutzigsten Messpunkte der Republik liegt, gefolgt von der Landshuter Allee in München. In diesem Fall, so kann man sich denken, werden die Bayern gerne auf die Top-Platzierung verzichten. Die Landeshauptstadt von Baden Württemberg zeichnet sich besonders durch ihre Lage im Talkessel aus, der es verhindert, dass der Wind die giftigen Gase wegbläst, auch öffnet sich am Neckartor die Stadt hufeisenförmig zum Fluss hin, so dass hier, wo einst ein Stadttor den Eingang in die Stadt markierte, das Nadelöhr für den Ein- und Ausfall aus Stuttgart seinen Platz findet. 
Dass das Tor zum Symbol für eine ganz grundsätzliche Debatte zum Thema Verkehr geworden ist, scheint offensichtlich, längst geht es um das große Ganze: Fahrverbote, blaue Plakette und Elektrooffensive, all dies kanalisiert sich hier. Die schwarz-grüne Landesregierung unter Winfried Kretschamen versucht mit ihrem Luftreinhalteplan gegenzusteuern und mit einem Maßnahmenpaket die Luft in Stuttgart sauberer zu machen. Doch alles hat nicht geholfen, die einzige Möglichkeit, und so sehen es auch die Gerichte, bis hin zum obersten in der Sache zuständigen Bundesverwaltungsgericht, ist die Prohibition von Dieseln mit besonders schlechten Werten.
Schon lange setzt sich die Bürgerinitiative Neckartor für eine bessere Luft vor Ort ein, denn nur wegen schlechter Werte will sich hier keiner vertreiben lassen. Von der Politik zeigt man sich verständlicherweise enttäuscht, denn die nimmt Illegalitäten und Illegitimitäten beim Umgang mit Recht und Gesetzt durch die Autohersteller nicht so ernst, mit dem Argument, individuelle Fortbewegung und der Erhalt von Arbeitsstellen habe Priorität. 
Dabei unterschätzen sie scheinbar, dass die Wähler*innen diese Position nicht unbedingt teilen, eine Studie des am Neckartor ansässigen ADAC Württemberg hat ergeben, dass sich die Hälfte seiner Mitglieder (ca. 10  von 20 Millionen) Fahrverbote für besonders belastete Orte vorstellen könnten. Außerdem, so der örtliche Vorsitzende Dieter Roßkopf, habe es schon immer Einschränkungen für den Verkehr gegeben, nach Einführung der Fußgängerzonen sei die Welt auch nicht stehengeblieben, bzw. die Menschen die sich in ihr bewegen.
Recht hat er, findet auch DIE LINKE, welche sich mit allen Betroffenen solidarisch zeigt und weiterhin ein konsequentes Umdenken der Regierenden von CDU/CSU und SPD fordert. Es kann nicht sein, dass erst Gerichte Entscheidungen erzwingen müssen, die längst überflüssig erscheinen und vom Gros der Bevölkerung mit Wohlwollen entgegengenommen würden, ob am Neckartor, der Landshuter Alle oder der Lützner Straße in Leipzig, alle haben ein Anrecht auf saubere Luft.

Quellen: SZ, J. Kelnberger, 15./16.7.17; Foto: https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/236/tod-liegt-in-der-luft-3170.html

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wahlverwandschaften

Wie die Bundesregierung sich von der Autolobby lossagte - eine Trennungsgeschichte Türe zu: Bundeskanzlerinnenamt in Berlin Wenn die Autolobby aus Frankfurt am Main gen Berlin gepilgert ist, wurde ihr meist sogleich eine Privataudienz bei der Kanzlerin und ihren Minister*innen gewährt. Gerne unterhielten sie sich in vertrauter, gar ganz privater Runde, ohne den üblichen formellen Schnickschnack drumrum. Was wurde nicht pleniert in den letzten Monaten und Jahren, um der angeblich letzten verbliebenen deutschen Schlüsselindustrie ein möglichst weiches Bett zu bereiten. Seit einem Jahr gibt es die "Konzentrierte Aktion Mobilität" bei der sich die Autofunktionär*innen regelmäßig mit der bundesdeutschen Politelite zusammensetzen. Dort solle es zwar um Innovationen gehen, doch Klimawandel und Mobilitätswende sind kein Thema. Über die Inhalte der Verhandlungen herrscht eh seit jeher Schweigen. Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen

Wie sauber darf es sein?

Während die Erderwärmung voranschreitet, streiten Expert*innen noch immer über die richtige Antriebsart als Antwort darauf Hätte Rudolf Diesel seinerzeit gewusst, welches Explosionspotenzial in seinem Selbstzünder steckt, er hätte sich dessen Entwicklung wohl zweimal überlegt. Dass die Tage des Dieselmotoren über kurz oder lang gezählt sind, dürfte mittlerweile jeder*m klar geworden sein. Natürlich, seine Energiedichte ist hervorragend und so schlägt er den Benziner bei Abgaswerten um Längen. Wären da nicht die Stickoxide, denen zwar mit chemischen Katalysatoren ein bisschen Volumen genommen werden kann, deren Bändigung aber auch entsprechend teuer ist. Die Grenzwerte geben eine Weiterentwicklung der Technologie langsam nicht mehr her und so bleibt nur, sich um eine Alternative zu bemühen. Einer der ersten Hybridwagen von Porsche  Ganz vorne im Rennen um die Technologie der Zukunft, bewegen sich die klassischen Elektroautos. Sie gibt es heute schon Serie und dank des ID.3 vo

Geteiltes Leid

In der Corona-Krise hat es zwei Verkehrsträger besonders getroffen: Sharing Fahrzeuge und Straßenbahnen. Vorschläge für einen Neustart. Die Paketflut in Deutschland und überall in der westlichen Welt nimmt stetig zu. Durch das Corona-Virus wurde dieser Trend noch verschärft. Alle Geschäfte blieben zu und die Menschheit hatte viel Zeit um online auf Einkaufstour zu gehen. Gleichzeitig nahmen in den öffentlichen Verkehrsmitteln immer weniger Leute platz. Entweder weil sie einfach keine Wege mehr zu erledigen hatten, oder weil ihnen das Risiko einer Infektion zu groß war.  Seit neustem mit Sitzplatzgarantie: Straßenbahn Wieso also nicht den Pakettransport auf die Schiene verlegen? Für den Fernverkehr wird das mit Güterzügen seit jeher so gehandhabt. Im Zuge der Mobilitätswende und immer voller werdenden Städten, wäre es an der Zeit auch über eine solche Lösung nachzudenken. Gleichzeitig könnten die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen etwas gesenkt werden. Sind die Pakete e