Direkt zum Hauptbereich

Vom Ab- und Aufbau

Sommerloch und trotzdem viel los in der deutschen Automobilbranche.


Eine Sensation war es, was der Opel-Chef Michael Lohscheller da bei der jüngsten Bilanzpressekonferenz verkündete, 500 Millionen Euro Gewinn hat das altehrwürdige Unternehmen aus Rüsselsheim erwirtschaftet. Dies sind die ersten schwarzen Zahlen seit mehr als einer Dekade. Geschafft hat er dieses Meisterwerk innerhalb nur eines Jahres, also genau seit der Übernahme vom vormaligen Mutterkonzern General Motors aus den USA. Gleich zu Beginn hatte Lohscheller gemeinsam mit dem Chef des neuen Eigner PSA (u.a. Peugeot und Citroen) Carlos Tavares, einen 100 Tage Plan aufgestellt, der das Unternehmen zurück auf Kurs bringen sollte. 
Dieser wirtschaftliche und damit vor alle monetäre Erfolg ging aber nicht zuletzt auf massive Einschnitte für die Belegschaft zurück. So wurden, wenn auch ohne betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen, über 3000 Stellen abgebaut. Außerdem geht die Sorge über einen Verkauf des Entwicklungszentrums in Rüsselsheim um, indem momentan noch 7000 Ingenieur*innen an neuen Modellen und moderner Technik tüfteln. Schon jetzt beginnt PSA vor allem eigene Modellteile in die Opelfahrzeuge zu verbauen, welche dann nur noch mit orginärer Opel-Technik vervollständigt werden. Man fürchtet lediglich zu einer Designhülle zu verkommen und so weiter an Innovationskraft zu verlieren, was sich auch auf den schon jetzt weiter sinkenden Marktanteil auswirken könnte. Tavares hingegen will Opel international bekannt machen und weiter auf das Know-How aus Deutschland setzen. Immerhin sind bis 2023 alle 14.000 noch verbliebenen Jobs sicher, in Eisenach wird ab 2019 ein neues Modell vom Band rollen und auch für das Werk in Kaiserslautern gibt es Hoffnung, doch immer noch herrscht Ungewissheit, ob durch die neuen Modell bei gleichzeitigem Auslaufen der Produktion z.B. vom Modell Adam und der weiteren Verlagerung an andere Standorte, die Auslastung für die Beschäftigten tatsächlich erreicht werden kann. Zu wünschen wäre es den Mitarbeiter*innen, die extra auf Lohnerhöhungen und neue Tarifabschlüsse verzichtet haben, um dem Unternehmen neuen Schwung zu geben. 


Bei VW herrschen derweil ganz andere Sorgen. Dort wird ab jetzt nur noch Teilzeit gearbeitet, denn das Unternehmen produziert aktuell viel mehr Fahrzeuge, als es ausliefert, denn mit der Umstellung auf den neuen Prüfzyklus RDE, der den alten Labortests NEFZ ersetzt, muss jedes Modell und jede Variante neu zugelassen werden. Dies betrifft nicht nur die Wolfsburger sondern alle europäischen Hersteller, so dass die rar gesäten Prüfstände auf Monate hin belegt sind. Solange VW aber vom Kraftfahrtbundesamt keine Freigaben erhält, können die gefertigten Wagen nicht ausgeliefert werden. So könnten sich in den nächsten Wochen an die 250.000 Fahrzeuge des Autobauers stapeln, so dass der Platz für die Autos, welche alle schon den neuen Anforderungen genügen sollen, und zum Teil bereits verkauft sind, auf den werkseigenen Geländen nicht mehr reicht. Nun sollen unter anderem Parkflächen und Parkplätze des BER, welche bereits gebaut sind, angemietet und zum Abstellen von 8000 KFZ genutzt werden, der erste Zug soll bereits angerollt sein. Dies bringt dem Flughafen, der seit Ewigkeiten im Bau befindlich ist, unerwartete Einnahmen von allein einer Millionen Euro bis zum Jahresende. 
Bei der Bilanzpressekonferenz äußerte sich auch der neue VW-Chef Herbert Diess zu den ungewöhnlichen Umständen, und betonte, dass man mit der Situation wohl noch einige Zeit leben müsse, ehe alles wieder seinen gewohnten Gang geht. Die entfallenen Schichten werden durch Zeitgutschriften und Abfeier-Stunden ausgeglichen, so dass sich Unternehmen und Beschäftigte den Lohnausfall teilen, wie aus einer Einigung zwischen Vorstand und Betriebsrat hervorgeht. 

Beim Luxus-Hersteller Porsche hingegen läuft es rund, und das nicht nur unter den Rädern, sondern auch finanziell. Im ersten Halbjahr 2018 legte der Umsatz noch einmal um vier Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017 zu. Der Gewinn stieg bei aber nur leicht um einen Prozent, auf 2,2 Milliarden Euro. Dies liegt vor allem daran, dass Porsche massive in Forschung und Entwicklung, vor allem im Bereich E-Mobilität investiert. Gleichzeitig kann das Unternehmen aber durch den Verkauf von besonders hochwertigen Modellen mehr Gewinn pro Fahrzeug erwirtschaften, was zu einer Kostendeckung führt, und das Ziel für eine Umsatzrendite von mindestens 15 Prozent, mit 17,5% deutlich übertrifft. Die VW-Tochter scheint also nach wie vor in besserer Verfassung zu sein, als z.B. die Konzernschwester Audi. Fraglich bleibt aber, wie die Stuttgarter sich in den Vorwürfen rund um die Manipulation im Abgasskandal bewähren werden, denn auch gegen sie liegen mannigfaltige Verdächtigungen vor und es gab bereits Zulassungsbeschränkungen für einzelne Modelle.


Quellen: LVZ 2.8.18 F. Johannsen "Probleme mit Abgastests: VW drosselt Produktion in Zwickau"; "Sportwagenbauer Porsche trotz hoher Kosten weiter sehr profitabel"; LVZ 3.8.18 C. Ebner "Wie viel Opel ist noch geblieben? Der Autobauer ein Jahr nach der Übernahme"; Fotos: https://de.wikipedia.org/wiki/Porsche#/media/File:Porsche_headquarter_Stuttgart-Zuffenhausen_Werk_II.jpg; https://de.wikipedia.org/wiki/VolkswagenAG; https://de.wikipedia.org/wiki/OpelAG

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wahlverwandschaften

Wie die Bundesregierung sich von der Autolobby lossagte - eine Trennungsgeschichte Türe zu: Bundeskanzlerinnenamt in Berlin Wenn die Autolobby aus Frankfurt am Main gen Berlin gepilgert ist, wurde ihr meist sogleich eine Privataudienz bei der Kanzlerin und ihren Minister*innen gewährt. Gerne unterhielten sie sich in vertrauter, gar ganz privater Runde, ohne den üblichen formellen Schnickschnack drumrum. Was wurde nicht pleniert in den letzten Monaten und Jahren, um der angeblich letzten verbliebenen deutschen Schlüsselindustrie ein möglichst weiches Bett zu bereiten. Seit einem Jahr gibt es die "Konzentrierte Aktion Mobilität" bei der sich die Autofunktionär*innen regelmäßig mit der bundesdeutschen Politelite zusammensetzen. Dort solle es zwar um Innovationen gehen, doch Klimawandel und Mobilitätswende sind kein Thema. Über die Inhalte der Verhandlungen herrscht eh seit jeher Schweigen. Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen

Wie sauber darf es sein?

Während die Erderwärmung voranschreitet, streiten Expert*innen noch immer über die richtige Antriebsart als Antwort darauf Hätte Rudolf Diesel seinerzeit gewusst, welches Explosionspotenzial in seinem Selbstzünder steckt, er hätte sich dessen Entwicklung wohl zweimal überlegt. Dass die Tage des Dieselmotoren über kurz oder lang gezählt sind, dürfte mittlerweile jeder*m klar geworden sein. Natürlich, seine Energiedichte ist hervorragend und so schlägt er den Benziner bei Abgaswerten um Längen. Wären da nicht die Stickoxide, denen zwar mit chemischen Katalysatoren ein bisschen Volumen genommen werden kann, deren Bändigung aber auch entsprechend teuer ist. Die Grenzwerte geben eine Weiterentwicklung der Technologie langsam nicht mehr her und so bleibt nur, sich um eine Alternative zu bemühen. Einer der ersten Hybridwagen von Porsche  Ganz vorne im Rennen um die Technologie der Zukunft, bewegen sich die klassischen Elektroautos. Sie gibt es heute schon Serie und dank des ID.3 vo

Kein Licht am Ende des Tunnels

Nur wenig Besserung in Sicht: der Kobaltabbau bringt weiter Probleme mit sich, die auch ein deutscher Aktionsplan nicht lösen kann. weckt Begehrlichkeiten: Cobalt  "So eine Masse kann Chaos anrichten", sagte ein kongolesischer Minenmanager jüngst einem deutschen Journalisten bei dessen Recherche zu den Bedingungen des Kobaltblaus in der Demokratischen Republik Kongo. Auch wir berichteten an dieser Stelle schon häufiger über die Verhältnisse vor Ort, das Verhalten der Abnehmerunternehmen und der deutschen und europäischen Politik. Mit der Masse meinte er die zig tausenden Bergarbeiter*innen, welche sich Tag für Tag unter schäbigsten Bedingungen und der ständigen Lebensgefahr im Nacken für ein paar Euro in den Minen und an den Schürfstationen ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch sie lassen sich nicht mehr wie früher als bloße Ausbeutungsobjekte materialisieren. Mittlerweile haben sich zahlreiche kleine Kooperativen gebildet, in denen sich die zuvor unorganisierten Men