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Der letzte Zug doch noch nicht abgefahren?

VW treibt die Wende voran - mit viel Geld und zahlreichen Modellen will der deutsche Autobauer groß ins Elektrogeschäft einsteigen


Zwickauer VW-Werk: Vorreiterrolle in Sachen E-Mobilität
Auch wenn der real existierende Sozialismus schon lange vorbei zu sein scheint, Fünf-Jahres-Pläne gibt es immer noch, wenn auch nicht auf einen Staat und seine Produktion bezogen, so doch immerhin auf die Strategien und dafür aufzuwendenden Mittel des zahlenmäßig größten Autobauers der Welt - Volkswagen aus Wolfsburg.
An sich ist die Nachricht weniger weltbewegend, wenn im 67. seiner Art nicht so viel revolutionärer Geist stecken würde, wie vielleicht zuletzt bei der Entwicklung des "VW-Käfer". Bis 2023 will der Autobauer ein Drittel seiner Gelder für Forschung und Entwicklung in die Produktion von Elektromobilen stecken. 44 Milliarden Euro sollen der VW AG dabei helfen zu einem großen Player im Geschäft um die E-Mobilität aufzusteigen. Fernziel ist das autonome Fahren in emissionsfreien Fahrzeugen, die alle miteinander vernetzt sind und zwar nicht durch Software von Google oder Apple, sondern durch firmeneigene Technik. Ferner sollen die Fahrzeuge von "cradle zu cradle", also von der Wiege zur Wiege klimaschonend sein. Dabei bezieht man sich auf die Entstehung, Nutzung und Wiederverwertung. 
Lange haben die Obersten in der Chefetage und im Vorstand des traditionsreichen deutschen Unternehmens mit den aktuellen Entwicklungen im Automobilsektor gehadert und sich an alten Technologien wie Diesel und Benziner - in die übrigens auch weiterhin investiert wird - festgehalten. Nun folgt eine überraschende aber umso radikalere  Trendwende, die VW-Chef Herbert Diess bescheiden als "Wir setzten neue Zeichen" unterschreibt. Sein Strategiechef Michael Jost wird da schon etwas deutlicher, indem er die "Mächtigkeit dieser Strategie" betont und anfügt "Wenn wir das nicht schaffen, haben wir alle ein Problem.". 
VW-Chef Herbert Diess will Alles außer verlieren
Schaffen wollen sie es gemeinsam und vor allem mit Hilfe der deutschen Standorte. So haben der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der langjährige Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh in den Verhandlungen zum Plan 67 durchgedrückt, dass das Gros der künftigen Produktion von Stromern in der Bundesrepublik erfolgt, obwohl momentan der größte Absatzmarkt für Autos dieser Art eher fernöstlich im Reich der Mitte liegt. So startet Zwickau als erster Produktionsstandort nur für E-Mobile bereits in zwei Jahren mit der Montage des "ID Neo" und konstruiert zusätzlich den "Modularen-Elektro-Baukasten", welcher zukünftig in 200.000 Fahrzeugen jährlich verbaut werden soll und weniger als 20.000 Euro kostet. An der Nordsee schickt man derweil den Passat ins Ausland, er kommt künftig aus einem Tschechischen Werk, stattdessen bauen die Emdener Beschäftigten künftig den "Aero" und auch aus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover kommt künftig ein Klassiker mit neuem Antrieb, der elektrische Van "ID Buzz", der sich pro Jahr 100.000 mal verkaufen soll.
Bei der Vorstellung der sehr ambitionierten Pläne, die vor allem auf Masse setzen und dazu führen sollen, dass VW in den kommenden Jahren mehrere Millionen Stromer verkaufen will (bei einer Gesamtproduktion von derzeit zehn Millionen Fahrzeugen), klangen aber auch nachdenkliche Töne im Bezug auf die Angestellten beim Wolfsburger Großunternehmen an. So wurde verkündet, dass die Umstellung auf E-Mobilität zwangsläufig zu Stellenstreichungen führen muss, schließlich bedarf die Montage eines E-Autos, aufgrund geringerer Komplexität deutlich weniger Handarbeit. Es bleibt aber dabei, dass es ohne betriebsbedingte Kündigungen ablaufen werde und der Umbauprozess des Konzern bereits erfolgreich laufe. 
Bei all den großen Worten die auch getönt wurden, bleibt kritisch anzumerken, dass VW unter Winterkorn und Müller die Innovation und Investition in zukunftsfähige Modelle jahrelang verschlafen und sich stattdessen auf Betrügereien eingelassen und so viele Kund*innen verprellt hat. Auch das Geklüngel mit der Politik auf unendlichen Dieselgipfeln und Krisentreffen hinter verschlossenen Türen hat den Autobauer ins Hintertreffen geraten lassen. Jetzt steht er vor der riesigen Herausforderungen auf neue Emissionsgrenzwerte und sinkenden Verkaufszahlen bei Dieselfahrzeugen reagieren zu müssen. 
Wie erfolgreich Diess und seine Mannschaft bei ihren ambitionierten Projekten sein werden, wird die Auswertung des Plan 67 in fünf Jahren zeigen. Bis dahin wird DIE LINKE weiterhin den Finger in die Wunde halten und das Unternehmen an seine Verantwortlichkeit gegenüber der Bevölkerung erinnern, damit am Ende vielleicht doch mal wieder eine Erfolgsgeschichte "Made in Germany" zu Buche steht. 

Quelle: "E wie endlich: VW geht auf Elektro-Kurs", S. Winter, LVZ 17./18.11.18; Fotos: Von RudolfSimon - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=26837878; Von André Karwath aka Aka - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2572991

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