Direkt zum Hauptbereich

Radloses Europa.

Ein Weiter wie bisher darf es in der Automobilindustrie nicht mehr geben - das schadet den Beschäftigten und der Umwelt


Es gibt 17 Nachhaltigkeitsziele, die sich die UN bis 2030 gesetzt hat. 11 davon, so ist sich der ehemalige Außenminister von Dänemark sicher, sind alleine durch Radfahren zu erreichen. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass sich alle Welt zu Hause auf den Hometrainer schwingt und vor der Glotze Strom für die eigene Leselampe erzeugt. Es geht vielmehr darum, die Bewegung- oder besser die Fahrgewohnheiten von Millionen Menschen langfristig zu verändern. 
Vorbildlich: Radweg in Kopenhagen-Zentrum
Der Grund warum dieser Bericht in Dänemark beginnt, ist, dass dort bereits vier von fünf Einwohner*innen den Drahtesel für ihre täglichen Wege nutzen. Zweiräder haben hier Vorfahrt, zu mindest in der Hauptstadt. Das auch auf dem Lande die Freude am zweirädrigen Gefährten aufkommt, dazu später mehr.
Während in Kopenhagen der Minister also mit dem Fahrrad zum Termin erscheint, rühmen sich die Verkehrspolitiker*innen in Deutschland schon, wenn sie mit einem Elektro-Coupe um die Ecke kommen, natürlich nur dienstlich. Zu Hause steht dann doch wieder der Diesel SUV. Das spiegelt sich auch auf Makroebene wieder. Vor zwei Jahren legten die hiesigen Hauptstädter*innen nur 13% aller Wege mit dem Rad zurück, in der dänischen Hauptstadt hingegen waren es knapp 50%. Damit ist das selbstgesetzte Ziel für 2025 bereits heute fast erreicht. In Berlin feiert sich der Grüne Bezirksbürgermeister von Mitte schon, wenn er für eine Woche drei "Pop-Up" Radstreifen in der Stadt markiert. 
Seit Jahrzehnten steht hierzulande wie andernorts auch der Motorisierte Individualverkehr im Vordergrund. Breite Highways durchziehen die Innenstädte, auf denen die Blechkolonnen ihre Bahnen ziehen, sofern sie nicht gerade im Stau stehen. In meiner Heimatstadt gibt es auf dem gesamten Autoring um die Innenstadt keinen gleichrangigen Radweg. Nicht eine einzige Spur mussten die Autonutzer*innen bisher abtreten. Doch nach einer Klage ist die Stadt verpflichtet ab kommendem Jahr den Ring für Radler*innen freizugeben. Ob zugleich für die notwendige Sicherheit beim Befahren des Innenstadtrings gesorgt wird, bleibt abzuwarten. Im eingangs erwähnten skandinavischen Land wird die Sicherheit für Radfahrer*innen als sehr hoch eingeschätzt. Es gibt je nach Geschwindigkeitsbegrenzung für PKW unterschiedliche Richtlinien, wie ein Radweg, der parallel zur Straße verläuft, auszusehen hat und wie die Richtlinien bei der Nutzung sind. Da alle die Regeln kennen und sie vor allem auch einhalten, was sicherlich zugleich am geringeren Frustrationslevel der Verkehrsteilnehmer*innen liegt, ist die Sicherheit im Straßenverkehr enorm gewachsen. 
Neues Terrain: RS 1 zwischen Hamm und Duisburg
Dazu kommt ein 750km umfassendes Schnellradwegenetz, das die Umlandgemeinden der Metropolregion Kopenhagen an die Hauptstadt anschließt (Sie erinnern sich an das Problem am Anfang des Textes). In Deutschland feierte sich die Politik für einen sechs Kilometer langen Abschnitt von Hamm nach Duisburg, den RS1. Er ist nicht nur der erste deutsche Radschnellweg, sondern im Moment auch der einzige. Immerhin will die Landesregierung von NRW noch 95km Erweiterungen bauen. Wann, ist aber unklar. 
Für die Gesundheit ist Radfahren ebenfalls nichts verwerfliches. Es fördert ganz im Gegenteil die Stimulation des Herz-Kreislauf-Systems und beugt Adipositas vor. Für die Gesundheitssystem könnte ein erhöhter Anteil an Radfahrenden potenzielle Einsparungen in Millionenhöhe bringen. Für die Klimabilanz einer Stadt und den verringerten Lärmsmog ergibt sich selbstredend eine Verbesserung. Wegen all der genannten Gründe, hat sich DIE LINKE. in einem gemeinsamen Positionspapier auch dafür stark gemacht den Radverkehr nicht nur zu fördern, sondern zugleich auch besser mit dem ÖPNV zu vernetzen, was u.a. eine kostenlose Fahrradmitnahme in Bussen und Bahnen mit sich brächte. Dazu sollten sofort die Subventionen und Vergünstigungen für die Automobilwirtschaft gekippt und eine KFZ-Steuerreform die nötige Mehrbelastung für Fahrer*innen platzraubender, dreckiger und teurer Großraumblechbüchsen bringen. Nur so kann eine Verkehrswende konsequent angegangen werden. 




Quellen: https://www.isw-muenchen.de/2020/04/die-autoindustrie-vor-und-nach-corona-konversion-statt-rezepte-von-gestern/; https://monde-diplomatique.de/artikel/!5661099; Fotos: Von Mmflooki - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=79211107; Von Albertyanks - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10675036

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Luft rauslassen

Die Automobile Welt in der Post-Corona-Zeit oder doch noch mittendrin. Mit jedem einzelnen der 5400 Beschäftigten, geht das Leipziger BMW-Werk wieder an den Start. Bilder wie beim Fleischverwurster Tönnies will die Betriebsleitung hier unbedingt vermeiden. Deshalb setzt der Chef des sächsischen Werkes auf umfangreiche Schutzmaßnahmen, so etwa 100 Meter Plexiglasscheiben, die sich über das gesamte Werk verteilen. Dazu kommen ein verkürztes Zwei-Schicht-System und ausreichend Abstand zwischen den Mitarbeitenden. Das hat zur Folge, dass im Moment statt den üblichen über 1000 Fahrzeugen nur 650 vom Band rollen. Die wirkliche Ursache liegt jedoch nicht in den Hygieneregeln, sondern darin begründet, dass der Absatz bei BMW um die Hälfte eingebrochen ist und das weltweit. Wann es wieder bergauf geht, kann noch nicht gesagt werden. Es hängt sicher auch von der Wirksamkeit des von der Bundesregierung beschlossenen Elektroauto-Konjunkturpakets ab.  BMW in Leipzig: Jetzt wieder mit ...

Kauflaune im Schneckentempo

Die Autoverkäufer*innen in der Krise. Auch die Autohäuser dürfen dieser Tage ihre Pforten wieder öffnen. Doch bloß, weil jetzt wieder Wagen vom Hof rollen können, heißt das nicht, dass auch die Kundschaft den Weg in die Verkaufsräume findet. Die Absatzzahlen der Händler*innen brachen in den letzten Monaten um bis zu drei Viertel ein. Viele Unternehmer*innen sahen ihre Liquiditätsreserven sukzessive dahinschmelzen. Wer nicht gut vorgesorgt hatte, dem blieben nur ein Kredit oder die Insolvenz.  Eine Abwrackprämie, wie sie bereits vielfach von der Autolobby bei Geheimgesprächen im Kanzlerinnenamt gefordert wurden, lehnen die Autoverkäufer*innen jedoch kategorisch ab. Sie haben bereits nach der ersten Zahlung dieser Art im Zuge der Finanzkrise 2009 schlechte Erfahrungen machen müssen. So bezeichnet ein Leipziger Autohausbesitzer die Abwrackprämie als „den größten Blödsinn“. Damals hätten sich alle einen Neuwagen zugelegt und danach wäre absolute Flaute gewesen. Stehen, dami...

Erfindergeist oder Erfinder im Geiste?

Angeblich sollen die Deutschen Vorreiter bei Patenten für grüne Mobilität sein - doch wie viel zählt das wirklich? Hier soll Deutschland führen: Patente für E-Mobilität Die Sensationsnachricht über einen Lithium-Ionen-Akku, der innerhalb von sechs Minuten voll aufgeladen sein soll, kam zunächst nicht aus Deutschland. Stattdessen war es ein Entwickler*innenteam um Dr. Jean de la Verpilliere, dass diesen Quantensprung in der Elektromobilität geschafft haben will. Das Mehrkomponentengemisch, welches die Wissenschaftler*innen aus Cambridge entwickelt haben, müsse nur in einen herkömmlichen Akku eingefügt werden, um die gewünschte Ladezeitverkürzung zu erreichen. Der Schlüssel zum Erfolg ist es, die schnell entzündlichen Materialen - etwa Graphit - durch weniger entzündliche Stoffe zu ersetzen, um so bei hoher Ladespannung Kurzschlüsse und damit Akkubrände zu verhindern. Allerdings ist das Pulver noch nicht am Markt erhältlich, da sich die Produktion auf ein Kilo am Tag beschränkt, w...