Direkt zum Hauptbereich

Ein kleiner Italiener

Fiat-Chrysler steckt in der Krise, nur eine Fusion kann den Untergang noch stoppen


Falsche Investition: SUV´s von FCA
Es war ein Schock für alle Beteiligten als 2018 der langjährige FIAT-Chef Sergio Marchionne das zeitliche segnete. Mit ihm ging eine Periode des Stolzes zu Ende, aber auch der Rückwärtsgewandheit eines Traditionsunternehmens, das es unter seiner Ägide versäumt hatte in die Zukunft zu investieren. Seit 120 Jahren besteht das Firmenimperium bereits, hat heute seinen Sitz in Amsterdam und über die Jahre einige Marken in sein Portfolio übernommen, etwa Jeep oder RAM. Die Fusion mit Chrysler war hingegen das größte Projekt der Italiener. Nach dem Abschluss der Verschmelzung 2009 griff FIAT sogar nach General Motors, allerdings lehnten die Amerikaner damals ab. Heute hat FIAT nur noch einen Marktanteil von etwa sechs Prozent. PSA (u.a. Opel, Peugeot) hingegen mehr als das doppelte, VW gar das vierfache. So ist es nicht verwunderlich, dass der neue Vorstandsvorsitzende Mike Manley nicht weniger an einer Übernahme interessiert ist als dies sein Vorgänger war, allerdings würde er den Spieß gerne umdrehen und sein Unternehmen einverleiben lassen. Gespräche sollen bereits laufen, etwa mit PSA. Auch die Gründerfamilie Agnelli hätte Interesse daran, auf der einen Seite erhoffen sie sich den Befreiungsschlag, auf der anderen Seite natürlich Gewinne, durch eine erneute Beteiligung. Bisher hält die Erbengemeinschaft über die Exor-Holding etwa 29% aller Aktien und damit fast 45 Prozent der Stimmanteile. 
Eine Übernahme wäre wohl zwangsläufig die letzte Rettung des Autobauers. Zwar sind die Gewinne noch recht stabil - im letzten Jahr erreichten sie sogar einen Rekordwert - allerdings sinken Absatzzahlen und Zulassungen. In der Konsequenz bedeutet dies immer niedrigere Anteile am sowieso schon hart umkämpften Automarkt. Die Marge der FCA AG liegt weit unter der vergleichbarer Autofirmen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Turiner Autopioniere diesen Nimbus schon lange an andere Unternehmen abgegeben haben. Zwar gibt es in puncto autonomes Fahren eine Kooperation mit der Google-Tochter Waymo, allerdings beschränkt sich diese auf das zur Verfügung stellen von Fahrzeugen, mit denen Google seine Software-Tests durchführen kann. Andere Firmen sind da deutlich weiter und pflegen intensivere Beziehungen zu Technik-Konzernen. Im E-Segment hat FCA nicht ein einziges Modell im Angebot, erst 2020 soll es mit der Elektrisierung der Flotte losgehen. Lange Zeit setzte man auf massige SUV´s, die die immer strengeren Emissionswerte der EU-Kommission nicht einhalten können, geschweige denn in Bälde auf Hybrid-Antrieb umgerüstet werden könnten. 
Aus glanzvolleren Zeiten: ehemalige FIAT
Fabrik in Turin
Auch der Dieselskandal lies FIAT nicht unbeschadet zurück. In den Vereinigten Staaten ist noch immer ein Vergleich mit Aktionär*innen offen, die sich mit irreführenden Informationen in Folge von Rückrufen und Abgaswerten hinters Licht geführt sehen. 110 Millionen Dollar werden als Vergleichssumme aufgerufen, ob dies der letzte Spruch sein wird ist aber noch offen. Bisher hat sich FIAT im gesamten Prozess erstaunlich bedeckt gehalten. Selbst bei der Befragung durch den Abgasuntersuchungsausschuss im Europäischen Parlament vor zwei Jahren kamen keine manifesten Ergebnisse ans Licht. Durch die Geheimniskrämerei ist auch bei der heimischen Kundschaft viel vertrauen verloren gegangen. Dies spiegelt sich auch beim Anteil am italienischen Automobilmarkt nieder, welche im Vergleich zum letzten Jahr um 40.000 Wagen im Monat März abgefallen ist.
Schlussendlich bleiben viel Fragen, die es in näherer Zukunft zu klären gibt, ob mit oder ohne Fusion müssen die Konzernvorstände bald entscheiden, ohne Innovationen wird die Reise jedenfalls zeitnah ein jähes Ende nehmen.


Quellen: "Marchionnes schwieriges Erbe", K. Kort und R. Krieger, Handelsblatt, 12./13./14.4.19; Fotos: By Alexander Migl - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77689713; Von IIVQ / Tijmen Stam - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28396500

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wahlverwandschaften

Wie die Bundesregierung sich von der Autolobby lossagte - eine Trennungsgeschichte Türe zu: Bundeskanzlerinnenamt in Berlin Wenn die Autolobby aus Frankfurt am Main gen Berlin gepilgert ist, wurde ihr meist sogleich eine Privataudienz bei der Kanzlerin und ihren Minister*innen gewährt. Gerne unterhielten sie sich in vertrauter, gar ganz privater Runde, ohne den üblichen formellen Schnickschnack drumrum. Was wurde nicht pleniert in den letzten Monaten und Jahren, um der angeblich letzten verbliebenen deutschen Schlüsselindustrie ein möglichst weiches Bett zu bereiten. Seit einem Jahr gibt es die "Konzentrierte Aktion Mobilität" bei der sich die Autofunktionär*innen regelmäßig mit der bundesdeutschen Politelite zusammensetzen. Dort solle es zwar um Innovationen gehen, doch Klimawandel und Mobilitätswende sind kein Thema. Über die Inhalte der Verhandlungen herrscht eh seit jeher Schweigen. Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen

Geteiltes Leid

In der Corona-Krise hat es zwei Verkehrsträger besonders getroffen: Sharing Fahrzeuge und Straßenbahnen. Vorschläge für einen Neustart. Die Paketflut in Deutschland und überall in der westlichen Welt nimmt stetig zu. Durch das Corona-Virus wurde dieser Trend noch verschärft. Alle Geschäfte blieben zu und die Menschheit hatte viel Zeit um online auf Einkaufstour zu gehen. Gleichzeitig nahmen in den öffentlichen Verkehrsmitteln immer weniger Leute platz. Entweder weil sie einfach keine Wege mehr zu erledigen hatten, oder weil ihnen das Risiko einer Infektion zu groß war.  Seit neustem mit Sitzplatzgarantie: Straßenbahn Wieso also nicht den Pakettransport auf die Schiene verlegen? Für den Fernverkehr wird das mit Güterzügen seit jeher so gehandhabt. Im Zuge der Mobilitätswende und immer voller werdenden Städten, wäre es an der Zeit auch über eine solche Lösung nachzudenken. Gleichzeitig könnten die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen etwas gesenkt werden. Sind die Pakete e

Aufs Korn genommen

Martin Winterkorn ist und bleibt eine zentrale Figur im VW-Skandal -Eine Chronologie der Ereignisse- dunkle Wolken über dem VW-Stammwerk in Wolfsburg Seit gut dreieinhalb Jahren laufen die Ermittlungen im Diesel-Skandal rund um den VW-Konzern am Landgericht Braunschweig. Ungefähr so lange ist es auch her, dass einer der größten Betrugsfälle in der Geschichte dieses Landes aufgedeckt wurde. Die Schuldfrage ist bis heute nur schemenhaft geklärt, im Kreise der Verdächtigen befinden sich zahlreiche Personen. Menschen aus allen Etagen des Weltkonzerns - vom kleinsten Ingenieur, bis zum Vorstand. Der Spuk begann bereits Ende 2006, als die "Akustikfunktion" erstmals ihren Weg in den neuen Dieselmotor EA189 fand, mit dem der amerikanische Markt erobert werden sollte.  Im gleichen Jahr traten neue, strengere Abgaswerte in Kraft, welche in Übersee noch deutlich ambitionierter ausfielen als in der EU. Bei VW war klar, dass der neue Dieselmotor diese unter normalen Umständen