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Aufs Korn genommen

Martin Winterkorn ist und bleibt eine zentrale Figur im VW-Skandal

-Eine Chronologie der Ereignisse-


dunkle Wolken über dem VW-Stammwerk in Wolfsburg
Seit gut dreieinhalb Jahren laufen die Ermittlungen im Diesel-Skandal rund um den VW-Konzern am Landgericht Braunschweig. Ungefähr so lange ist es auch her, dass einer der größten Betrugsfälle in der Geschichte dieses Landes aufgedeckt wurde. Die Schuldfrage ist bis heute nur schemenhaft geklärt, im Kreise der Verdächtigen befinden sich zahlreiche Personen. Menschen aus allen Etagen des Weltkonzerns - vom kleinsten Ingenieur, bis zum Vorstand. Der Spuk begann bereits Ende 2006, als die "Akustikfunktion" erstmals ihren Weg in den neuen Dieselmotor EA189 fand, mit dem der amerikanische Markt erobert werden sollte. 
Im gleichen Jahr traten neue, strengere Abgaswerte in Kraft, welche in Übersee noch deutlich ambitionierter ausfielen als in der EU. Bei VW war klar, dass der neue Dieselmotor diese unter normalen Umständen kaum schaffen könnte und somit das gesamte Projekt EA189 zu scheitern drohte. Hier trat eine Lösung auf den Plan, die Volkswagen bis heute 30 Milliarden Euro Strafen beschert hat. Eine Steuerungssoftware mit der das Fahrzeug zwischen Test- und Realbetrieb unterscheiden konnte, etwa anhand der Lenkradstellung. Stand das Mobil auf dem Teststand, so lief die Abgasreinigung auf maximaler Leistung und blieb unterhalb der Grenzschwellen. Auf der Straße allerdings schaltete der Modus um und die Diesel bliesen viel zu viel der gesundheitsschädlichen Stickoxide in die Luft. Über die Jahre wurde die Technik immer ausgefeilter und fand bis zum Auffliegen des Betrug im Sommer 2015 in ungefähr 1000 Modellvarianten des Konzern Verwendung.
kann nicht mehr recht lachen: Martin Winterkorn
(Ex-VW-Chef)
      Anfänglich versuchten die Entwickler*innen aus den unteren Abteilungen noch gegen die Software mobil zu machen, doch umso höher die Beanstandung ging, umso entschiedener wurde sie abgelehnt. Dies lag auch daran, dass unter Konzernchef Ferdinand Piech und später unter Martin Winterkorn ein Regime der Angst Einzug in das Wolfsburger Unternehmen hielt. So mussten etwa Verantwortliche für technische Probleme am s.g. "Schadenstisch" antreten und sich Schimpftiraden des Konzernchefs anhören und ihre Probleme rechtfertigen. Wer aufmuckte konnte schnell mal von seiner Tätigkeit entbunden werden. Sicherlich nicht ganz zufällig deckt sich denn auch die Amtszeit von Winterkorn - bevor er fünf Tage nach öffentlich werden der Schummelsoftware zurücktreten musste - mit der Zeit der Nutzung dieser. 
Zwar beteuert er weiterhin, bis zwei Monate vor Aufdeckung durch die kalifornische Umwelt-Behörde CARB, nichts von allem gewusst zu haben, ist aber dennoch als Beschuldigter im Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig angeklagt. Mit ihm sitzen noch vier weitere Topmanager auf der Anklagebank. Gegen mehr als 30 weitere laufen die Ermittlungen noch. James Liang und Oliver Schmidt sind bereits verurteilt und müssen in den USA mehrjährige Haftstrafen antreten. Beide waren bei Besprechungen dabei, in denen die Problematik mit EA189 thematisiert wurde und beide taten wie viele andere nichts. Schon allein die schiere Anzahl der Beteiligten zeigt die ganze Problematik einer durch und durch vergifteten Unternehmenskultur. In all der Zeit gab es lediglich eine Meldung bei der eigens für Missstände im Konzern eingerichteten Ombudsstelle. Allerdings folgte auch darauf keine Reaktion. 
Schicksalsort: Landgericht Braunschweig 
Warum so lange nichts an die Außenwelt drang begründet sich auch daraus, dass viel Kommunikation auf mündlichem Wege erfolgte. Selbst der Zulieferer Bosch, welcher letztendlich für die finale Kalibrierung des Programms zuständig war, wurde über diese Zuständigkeit nur informell ins Benehmen gesetzt. Was Bosch nicht weniger aus der Haftung nimmt und eindeutig der Mittäterschaft schuldig macht. Da nützte auch aller Protest unabhängiger Institutionen nichts, denen die auffälligen Werte schon lange ein Dorn im Auge waren. 
Am Ende ging es jedoch ganz schnell. Von der großen Runde - u.a. unter Beteiligung von Winterkorn selbst - am 27.7.2015, in der die drohende Aufdeckung durch die Kontrollinstanzen in den USA auf den Plan gerufen wurde, bis zur Veröffentlichung einer "Notice of Violation" durch die EPA in der erstmals von einem defeat device die Rede war, vergingen nicht mehr als zwei Monate. Schon damals stand fest, dass dies ein teures Unterfangen werden dürfte. Zulassungsentzug drohte, Strafzahlungen an Verbraucher*innen und Staat, sowie ein massiver Imageverlust. Von alledem hat sich Volkswagen inzwischen einigermaßen erholt. Jedoch drohen neben Gefängnisstrafen für benannte Topmanager - u.a. wegen besonderer schwerem Betrug, Steuerhinterziehung und unrechtmäßigen Bonuszahlungen - weitere Geldbußen, die noch einmal den gleichen Umfang haben dürften, wie die bisher entrichtete Summe. 
"Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die US-Probleme informiert wurden bin.", so "Wiko" vor dem U-Ausschuss des Bundestages 2017. Dieses Zitat ist wohl genauso Teil des "Wintermärchens", wie der Rest dieses grotesken Spiels mit dem Vertrauen und der Gesundheit zahlreicher Kund*innen, sowie dem schonungslosen Hintergehen des Rechtsstaates, welcher VW über 80 Jahre Firmengeschichte schon so viele Vorteile gebracht hat, wie sonst kaum einem Unternehmen. 




Quelle: "Verkommene Welt", Stern, 25.4.19, J. B. Wintzenburg; Fotos: Von Volkswagen AG - http://www.mynewsdesk.com/se/volkswagen/images/martin-winterkorn-koncernchef-volkswagen-ag-449927, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42010834; Von Vanellus Foto - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33211914; Von User:Alkibiades - Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1079940

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