Direkt zum Hauptbereich

Digitaler Goldrausch

Die Digitalisierung der Automobilindustrie läuft bisher schleppend, doch zahlreiche Pioniere wollen das ändern.


"Wunder Mobility" klingt verheißungsvoll und dessen Geschäftsführer Gunnar Froh weiß um die Wirkung seines Markennamens. Mit einem individuellen Baukasten für jedwede Form von Mobilitätsdienstleistern bietet sein Unternehmen Website- und Appkonzeptionen an. Zuvor war der 39-jährige schon bei diversen Start Ups dabei. Zuletzt versuchte er sich an "Wunder Car", das ähnlich wie Uber auf PKW-Abholung per App-Ruf basierte, aufgrund unsicherer rechtlicher Verhältnisse und gesellschaftlicher Proteste aber vorerst in die Garage verbannt wurde. Mit seinem neuen Unternehmen aber wächst der ehemalige McKinsey Mitarbeiter jedoch kontinuierlich bei einem jährlichen Umsatz von 25 Millionen Euro und 160 Mitarbeiter*innen überall auf der Welt. Zu seinen Kund*innen gehören europäische E-Scooter Verleiher, philippinische Carsharing Anbieter und amerikanische Plattformen für Mitfahrgelegenheiten. 
Waymo-Fahrzeug auf der Straße
Neben dem Ordern von Mobilitätsangeboten via Handy-App ist das "Keyless-Car" unter den Autoherstellern der neuste Schrei. Für mehrere 100 Euro extra gibt es das hübsche Spielzeug vor allem im hochpreisigen Segment. Expert*innen des ADAC haben allerdings herausgefunden, dass mit einem geringen Zeitaufwand und unter 100 Euro eine Applikation gebastelt werden kann, mittels derer man* in wenigen Sekunden die Schlösser der Fahrzeuge knacken und den Motor starten kann. Dies gelingt ganz einfach dadurch, dass die vom Fahrzeug kontinuierlich ausgesandte Funkwelle durch das Gerät verlängert und an den eigentlich für den Signalempfang zu weit entfernten Autoschlüssel weitergesendet wird. Der PKW denkt somit, der Schlüssel befinde sich in der Nähe und zack - offen ist das Auto. Doch auch für dieses Problem gibt es längst ein probates Start Up, welches sich der Sache angenommen hat. Ein Wissenschaftler der ETH Zürich ergründete den Sachverhalt schon vor acht Jahren und gründete die Firma UWB (Ultra-Wide-Band) mit deren Hilfe der Standort des Schlüssels genau lokalisiert werden und eine Manipulation des Schließmechanismus somit verhindert werden kann. Die Hersteller sahen sich lange nicht genötigt, das neue System zu verbauen, denn es machten ja schließlich alle so. Doch nun findet ein Umdenken statt und der jüngste Sicherheitstest des ADAC ergab, dass mit der neuartigen Technik alle Fahrzeuge beim Versuch sie zu knacken zublieben. 

Platine eines Keiles-Car-Türöffners
In der Königsdisziplin, dem autonomen Fahren, liegen deutsche Start Ups jedoch nach wie vor weit hinter der US-Konkurrenz zurück. Die drei größten US-Start Ups in diesem Segment legten im letzten Jahr 30.000 km mit autonomen Fahrzeugen auf der Straße zurück. BMW, Daimler und Co taxieren hingegen im niedrigen dreistelligen Bereich. Der Branchenführer Waymo (Tochterfirma von Google) soll laut internen Papieren bereits mehr Wert sein als die bundesrepublikanischen Autoriesen zusammen. Hierzulande wird der Entwicklungsrückstand beim Fahren ohne Fahrer*in auf mindestens fünf Jahre geschätzt. Ganz verloren ist das Rennen um die Technologie-Vorherrschaft jedoch noch nicht, denn Zoox, Waymo und GM Cruise testen vor allem auf dem flachen Land und haben noch erhebliche Probleme ihre Systeme großstadttauglich zu machen, außerdem brauchen sie nach wie vor Unsummen an Kapital, um ihre Entwicklungen voranzutreiben. Hier läge eine Chance für die deutsche Marktwirtschaft, durch staatliche Hilfen den hiesigen Autobauern, sofern sie den genug Willenskraft zeigen, monetären Vorsprung zu verschaffen. BMW etwa hat erst kürzlich ein neues Rechenzentrum in Unterschleißheim eröffnet, um Fahrsimulationen noch besser durchführen zu können und möglichst schnell das Robortertaxi Wirklichkeit werden zu lassen.


Quellen: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-bitte-einsteigen-1.4564337; https://www.sueddeutsche.de/auto/keyless-auto-diebstahl-adac-1.4526808; https://www.sueddeutsche.de/auto/robotertaxis-autonomes-fahren-1.4373939; Fotos: Von Grendelkhan - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56611386; Von Techie - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1301189

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wahlverwandschaften

Wie die Bundesregierung sich von der Autolobby lossagte - eine Trennungsgeschichte Türe zu: Bundeskanzlerinnenamt in Berlin Wenn die Autolobby aus Frankfurt am Main gen Berlin gepilgert ist, wurde ihr meist sogleich eine Privataudienz bei der Kanzlerin und ihren Minister*innen gewährt. Gerne unterhielten sie sich in vertrauter, gar ganz privater Runde, ohne den üblichen formellen Schnickschnack drumrum. Was wurde nicht pleniert in den letzten Monaten und Jahren, um der angeblich letzten verbliebenen deutschen Schlüsselindustrie ein möglichst weiches Bett zu bereiten. Seit einem Jahr gibt es die "Konzentrierte Aktion Mobilität" bei der sich die Autofunktionär*innen regelmäßig mit der bundesdeutschen Politelite zusammensetzen. Dort solle es zwar um Innovationen gehen, doch Klimawandel und Mobilitätswende sind kein Thema. Über die Inhalte der Verhandlungen herrscht eh seit jeher Schweigen. Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen

Wie sauber darf es sein?

Während die Erderwärmung voranschreitet, streiten Expert*innen noch immer über die richtige Antriebsart als Antwort darauf Hätte Rudolf Diesel seinerzeit gewusst, welches Explosionspotenzial in seinem Selbstzünder steckt, er hätte sich dessen Entwicklung wohl zweimal überlegt. Dass die Tage des Dieselmotoren über kurz oder lang gezählt sind, dürfte mittlerweile jeder*m klar geworden sein. Natürlich, seine Energiedichte ist hervorragend und so schlägt er den Benziner bei Abgaswerten um Längen. Wären da nicht die Stickoxide, denen zwar mit chemischen Katalysatoren ein bisschen Volumen genommen werden kann, deren Bändigung aber auch entsprechend teuer ist. Die Grenzwerte geben eine Weiterentwicklung der Technologie langsam nicht mehr her und so bleibt nur, sich um eine Alternative zu bemühen. Einer der ersten Hybridwagen von Porsche  Ganz vorne im Rennen um die Technologie der Zukunft, bewegen sich die klassischen Elektroautos. Sie gibt es heute schon Serie und dank des ID.3 vo

Kein Licht am Ende des Tunnels

Nur wenig Besserung in Sicht: der Kobaltabbau bringt weiter Probleme mit sich, die auch ein deutscher Aktionsplan nicht lösen kann. weckt Begehrlichkeiten: Cobalt  "So eine Masse kann Chaos anrichten", sagte ein kongolesischer Minenmanager jüngst einem deutschen Journalisten bei dessen Recherche zu den Bedingungen des Kobaltblaus in der Demokratischen Republik Kongo. Auch wir berichteten an dieser Stelle schon häufiger über die Verhältnisse vor Ort, das Verhalten der Abnehmerunternehmen und der deutschen und europäischen Politik. Mit der Masse meinte er die zig tausenden Bergarbeiter*innen, welche sich Tag für Tag unter schäbigsten Bedingungen und der ständigen Lebensgefahr im Nacken für ein paar Euro in den Minen und an den Schürfstationen ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch sie lassen sich nicht mehr wie früher als bloße Ausbeutungsobjekte materialisieren. Mittlerweile haben sich zahlreiche kleine Kooperativen gebildet, in denen sich die zuvor unorganisierten Men