Alle reden nur über die Corona-Krise, doch bei Volkswagen läuft inzwischen ein Verfahren zum Dieselskandal mit 463.000 Kläger*innen
Hier wird Recht gesprochen: OLG Braunschweig |
Nach über vier Jahren des Bangen ist es endlich so weit. Der Prozess um den Dieselbetrug des Volkswagen Konzerns geht in die entscheidende Runde. Nachdem die Bundesregierung die Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage auf den Weg gebracht hatte. Diese gibt Verbraucher*innenorganisationen die Chance beim Bundesjustizministerium ein Klageregister einzurichten, in dem sich alle Betroffenen eintragen können. Diese nehmen dann, vertreten durch z.B. die Verbraucherzentrale Deutschland am Verfahren teil und werden von dessen Ergebnis beeinflusst.
Das Instrument soll vor allem Jahrzehnte lange Einzelklagewellen verhindern. Allein im Dieselgate wurden bereits über 1000 individuelle Urteile gesprochen. Die meisten erstinstanzlichen Urteile gingen übrigens für die Kläger*innen aus. In den Revisionsprozessen an den Oberlandesgerichten kam es jedoch zu einer differenten Entscheidung mal für oder gegen VW.
Noch scheint die Sonne über der VW-Zentrale |
Nun also die Musterfeststellungsklage, bei der zu recht bemängelt wird, dass keine vorherige Prüfung der sich im Register befindlichen Personen stattgefunden hat. Diese können auch aus dem Ausland kommen, was die Rechtsauslegung zusätzlich verkompliziert. Auch wurde nicht geprüft, ob sie überhaupt zu den Betroffenen gehören. Teilweise waren Daimlerfahrer*innnen oder Benzinmotornutzer*innen unter ihnen.
Für die Anwälte des weltgrößten Autobauers dürfte es dennoch kein Spaziergang werden, doch die Wolfsburger haben sich mit der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer ein Branchenschwergewicht an die Seite geholt. Die beiden Anwälte*innen Patrick Schroeder und Martina de Lind van Wijngaarden kommen schon jetzt aus dem Kritisieren dieser neuen Verfahrensart nicht mehr heraus. Es sei eine einmalige Situation, dass ein Beklagter einem Kläger gegenüberstehe, der die Chance auf eine Vergleichsmöglichkeit mit einer unklaren Menge von Anspruchsberechtigten aufweist. Zumal gar nicht feststehe, ob sich aus dem bloßen Kaufvertragsabschluss schon ein Anspruch ergäbe, der Tatbestand des "Schadens" also geltend gemacht werden könne. Das Gesetz biete im Vorhinein keinerlei Kontrolle über die im Register eingetragenen, etwa ob diese ihr Fahrzeug erst nach dem Tatzeitraum erworben haben. Und auch der Druck, welcher dem Unternehmen durch diese Klagemöglichkeit entstehe sei enorm. Allerdings ist fraglich inwiefern einem Konzern mit Milliardenumsätzen ein solcher wenn auch wahrhaftiger Stresstest seelischen Kummer bereiten sollte, schließlich handelt es sich nicht um ein inhabergeführtes Eisenwarengeschäft in fünfter Generation mit eineinhalb Angestellten.
Der Prozess kann beginnen.
Quellen: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Jung, Marcus und Gropp, Martin 16.11.20; Fotos: Von User:Alkibiades - Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1079871; Von Vanellus - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66784647
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